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Kriminelle Ausländer: Presserat wirft mehr Fragen auf, als Hilfe zu geben

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Dürfen Journalisten erwähnen, dass Nordafrikaner und Araber wahrscheinlich an den Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht beteiligt waren? Der Deutsche Presserat, die moralische Instanz der Zeitungen und Magazine, sagt: „Noch akzeptabel”.

Was bedeutet „noch“? Eigentlich darf man – siehe Richtlinie 12 – die Herkunft von Verdächtigen nicht nennen. Aber es gibt Ausnahmen, so Presserats-Pressesprecherin Edda Eick im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd):

  • Es handelt sich um ein Massenverbrechen, das in dieser Dimension so noch nicht stattgefunden hat.
  • Möglicherweise steckt eine größere kriminelle Struktur hinter der Tat und die Polizei fahndet mit Täterbeschreibungen.

Nicht erlaubt seien „bloße Spekulation darüber, ob das Motiv für die Taten mit der religiösen Zugehörigkeit etwas zu tun haben könnte; hierfür müsse es konkrete Anhaltspunkte geben“.

Fragen bleiben:

  •  Dürfen Journalisten bei einer Tat und einem Täter, der eine Frau vergewaltigt, keine Nationalität angeben?
  • Oder erst bei der Fahndung?
  • Gilt der Polizeibericht, wenn er eine Nationalität erwähnt, als Erlaubnis, diese zu erwähnen?
  • Wann wird ein Verbrechen ein Massenverbrechen? Bei fünf, bei fünfzig oder erst bei mehreren hundert Tätern wie in Köln?
  • Was sind konkrete Anhaltspunkte für eine religiöse Zugehörigkeit? Wird sie erst konkret, wenn der Täter  „Allah ist groß“ gerufen hat oder ein Bekennerschreiben verbreitet?
  • Wenn, so Eick, der Pressekodex mit seinem Verbot, die Nationalität zu nennen, die „Belange aller gesellschaftlichen Gruppen, die sich als Opfer tiefverwurzelter Vorurteile fühlen“ berücksichtigt: Wie unterscheidet man zwischen Vorurteilen und Urteilen? Selbst aufgeklärte Muslims beklagen das tief verwurzelte Frauenbild des Islam: Ist das ein Urteil oder Vorurteil oder „Stereotyp“?

Das Sowohl-Als-auch des Presserats macht die Arbeit in den Redaktionen nicht einfacher:  „Journalisten dürfen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, Informationen zu verschweigen“, rät der Presserat; andererseits „können auch mit kleinen Meldungen schon starke Ressentiments gegen Minderheiten geschürt werden“.

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Quelle: epd von Mittwoch, 6. Januar 2016; Gespräch mit Referentin für Beschwerdeführung beim Deutschen Presserat, Edda Eick.

In meinem Blog am 7. Januar hatte ich – ohne Kenntnis des epd-Berichts – vermerkt, es gebe keine Reaktion des Presserats. Auf seiner Homepage schweigt der Presserat auch am 8. Januar noch. In der Rubrik „Aktuelles“ stammt die letzte Meldung vom 3. Dezember 2015.

 


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