Böhmermann, Böhmermann und noch mal Böhmermann. Gestern war der Satiriker sogar Aufmacher in der 20-Uhr-Tagesschau. Stimmt noch, wie wir die Nachrichten und Themen öffentlich gewichten? Es lohnt jedenfalls, mal eine andere Perspektive einzunehmen. Wie reagiert beispielsweise ein Syrer, der heute ein neues Parlament wählen soll oder auf der Flucht ist?
Jan Jessen, im Hauptberuf NRZ-Redakteur, ist oft im Nahen Osten unterwegs, vornehmlich in Erbil und Kurdistan. Er hat auf Facebook schon einiges zu Erdogan und Böhmermann gepostet, aber erzählt auch eine Geschichte aus Bagdad 2011:
Diese ganze Böhmermann-Debatte zeigt auch, was wir für ein glückliches Völkchen sind. Wenn wir tagelang über Grenzen von Meinungsfreiheit anhand eines pubertären und wenig witzigen Gedichts streiten und darüber zehntausende Zeilen schreiben können, haben wir offenbar keine anderen Probleme, was uns von weiten Teilen der Welt unterscheidet.
Erinnert mich an einen Besuch in Bagdad im Jahr 2011. Damals saß ich dort mit irakischen Parlamentariern zusammen, wir diskutierten über den Krieg, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dann habe ich mir ne kurze Auszeit genommen und mir via Satellit das Heute-Journal angeschaut. Aufmacher war die Nachricht, dass zu Guttenberg eventuell bei seiner Doktorarbeit gepfuscht haben könnte. War etwas schwierig, den Irakern zu erklären, warum das für uns ein wirkliches Thema ist. Sie waren ziemlich neidisch.
Es ist sinnvoll, ab und zu die Perspektive zu wechseln.