Wäre die Welt eine bessere, wenn die Menschheit mit einem Schlag Krebs besiegen und Demenz für alle Zeit auslöschen könnte?
So fragt Joachim Müller-Jung in einem FAZ-Kommentar nach dem Welt-Gipfel der Gen-Chirurgen in Washington. Themen waren die Eingriffe in unser Erbgut, an Embryonen und Keimzellen, also um die zweite Schöpfung als Menschenwerk, die göttliche Schöpfung korrigierend. “Genchirurgische Werkzeuge sind praktisch Routine im Labor geschrieben”, steht im Bericht über den Kongress – unten auf der Feuilleton-Seite.
Die Gentechnik wird unser Leben, unseren Alltag und unsere Zukunft fundamental verändern. Warum ist sie – beispielsweise mit einem solch großen Kongress – kein Thema für den Aufmacher auf der Titelseite der Zeitungen? Kein Thema für die Spitzenmeldung der Tagesschau? Warum hat es Wissenschaft überhaupt so schwer, zu einem Top-Thema zu werden?
Verantwortliche Redakteure arbeiten immer noch wie vor zwanzig, dreißig Jahren: Die entscheidenden Themen werden von den Politikern gesetzt, den wirklichen und denen in der Redaktion. In den Köpfen sind immer noch die Kriterien des Generalanzeigers wirksam: Politik, Politik, Katastrophen und ein wenig Wirtschaft und Sport.
Wissenschaft verändert seit Jahrzehnten massiv unser Leben, aber wird erst zum Aufmacher-Thema, wenn sie von Politiker und Parlamenten aufgegriffen wird. Verbieten oder nicht? Wenn diese Frage im Bundestag ansteht und heftig debattiert wird, werden auch Journalisten hellwach.
“Praktisch alles, was von den Genen gesteuert wird, ist manipulierbar geworden”,
schreibt Joachim Müller-Jung im Leitartikel der FAZ-Titelseite – immerhin. Der Bericht zum Kommentar folgt elf Seiten weiter.
Die großen Zeitungen haben die Wissenschaft auf eine Seite im hinteren Teil der Zeitung abgeschoben. Die SZ packt sie ans Ende des Feuilleton-Buchs: Eine exzellente Seite mit Themen, die oft für die Titelseite taugten. Die FAZ versteckt sie im Feuilleton und in eine eigene Beilage einmal in der Woche, meist schwer lesbar, von Experten für Experten geschrieben.
Alles, was das Leben der Menschen verändert, gehört auf die Titelseite der Zeitungen und nicht in die Abstellkammern der sowieso schon viel zu dicken Zeitungen. Die Leser werden es danken.